Ein Interview mit easy-Illustratorin Lili Richter
easy-Blog: Das erste, was einem auffällt, wenn man das Lehrwerk easy aufschlägt und durchblättert, oder sich den easy-Blog ansieht, sind die vielen, wunderschönen Illustrationen. Was ist das Wichtigste, wenn man Illustrationen für die Altersgruppe der 10-14-Jährigen erstellt?
Lili Richter: Man darf Jugendliche nicht unterschätzen, denn sie wissen schon vieles und sind sehr neugierig und wach. Zugleich sind viele noch kindlich und verspielt. Ich versuche deshalb, in meinen Bildern eine Balance zwischen kindgerecht und cool zu erreichen. Im Zweifelsfall zeichne ich es so, wie ich es selbst spannend, schön oder cool finde, weil ich denke, dass ich das den jungen LeserInnen schon zutrauen kann und sie im Zweifelsfall besser überfordere.
easy-Blog: Es gibt sehr viele unterschiedliche Figuren im easy-Universum: Haben Sie persönlich eine Lieblingsfigur, bei der Ihnen das Entwickeln und Zeichnen besonders Spaß gemacht hat?
Lili Richter: Ja, ich mag Zeynep besonders gerne. Mit ihr lassen sich besonders schöne Szenen gestalten.
easy-Blog: Wie gehen Sie mit Stereotypen bzw. deren Vermeidung um?
Lili Richter: Da wir eine sehr breite Zielgruppe haben (LehrerInnen und SchülerInnen mit unterschiedlichen Geschmäckern), müssen die Charaktere sozusagen mehrheitsfähig sein und optisch bestimmten Geschlechterstereotypen entsprechen. Die Jungs sind z.B. alle eher cool und sportlich gehalten, Colins Karohemd ist eine Ausnahme. Bei den Mädchen gibt es zwar auch zwei, die Hosen tragen, aber wirklich burschikos ist keines.
Dafür versuchen wir auf der inhaltlichen Ebene so gut wie möglich, Stereotypen zu vermeiden, z.B. fürchten sich auch Burschen vor Spinnen, Miras Vater geht mit ihr einkaufen und räumt den Geschirrspüler aus, oder, besser gesagt, er versucht es: Woher kommt nur das Monster im Geschirrspüler? Und der sportliche Luka ist daneben auch ein Bücherwurm.
easy-Blog: Welche Einflüsse fließen in die Kreation einer Figur ein? Sind da (optische) Charakteristika von Personen dabei, die Sie aus dem wirklichen Leben kennen?
Lili Richter: Für die Entwicklung von Charakteren nehme ich mir besonders viel Zeit, weil das die Grundlage der weiteren Arbeit darstellt. Sehr wichtig sind reale, aus dem Leben gegriffene Inspirationen. Ich habe Kinder und Teenager in meiner Umgebung oder auf der Straße beobachtet, Modekataloge durchgeblättert, auf Pinterest und anderen Webseiten geschmökert und mich auch an meine eigene Schulzeit erinnert. So ist zum Beispiel die Lehrerin Mrs. Bucket eine Hommage an meinen Klassenvorstand am Gymnasium. Das war eine wundervolle Lehrerin, die zugleich elegant und cool war und wirklich tolle Locken hatte. ?
easy-Blog: Wie leicht / schwierig ist es, eine Figur „altern“ zu lassen (konkret: im Verlauf von easy Band 1 bis 4)?
Lili Richter: Bisher war das ziemlich einfach, aber wir sind erst bei Band 2. Ich schätze, die wirklichen Herausforderungen kommen bei Band 3, wenn die Kinder beginnen, sich körperlich stärker zu verändern.
easy-Blog: Wie sieht ein durchschnittlicher Arbeitstag einer Illustratorin aus?
Lili Richter: Idealerweise beginne ich meine Arbeitstage gerne früh und lege anspruchsvolle Aufgaben oder solche, die ich nicht so gerne mache, auf den Vormittag. Später am Nachmittag erledige ich gerne einfachere Dinge, zum Beispiel Bildbearbeitungen oder Buchhaltung.
Aber oft sind meine Arbeitstage dann doch sehr unterschiedlich. Es kommt darauf an, an welchem Projekt ich gerade zeichne und in welcher Phase es sich befindet. Manchmal erstelle ich eine Woche lang nur Skizzen oder recherchiere. Wenn eine wichtige Abgabe ansteht, retuschiere und scanne ich manchmal von früh bis spät.
easy-Blog: Wie genau erstellen Sie die easy-Illustrationen, also technisch gesehen?
Lili Richter: Erst mache ich ein Scribble mit Bleistift, auf dem Aufbau und Inhalt der Illustration ersichtlich sind. Diese Vorzeichnung scanne ich dann ein und bringe sie auf das Format, in dem ich zeichnen möchte. Dann drucke ich diese Vorlage aus, lege sie auf mein Leuchttablett und lege ein Blatt sehr glattes Aquarellpapier darüber. Dann formuliere ich die Vorzeichnung mit dem Bleistift genauer aus. Im nächsten Schritt mache ich das Aquarellpapier komplett nass und spanne es mit Papierklebeband auf ein Holzbrett auf. Wenn das Papier getrocknet ist, lege ich die Farben mit Aquarell in mehreren Schichten an. Dann zeichne ich die Konturen und weitere Schatten mit Buntstift und fixiere anschließend die Zeichnungen mit einem Spray. Der letzte Schritt ist das Scannen und die Nachbearbeitung in Photoshop, wo ich kleine Fehler ausbessere und die Farben schön knackig mache.
easy-Blog: Wie früh haben Sie zu zeichnen begonnen? Wussten Sie z.B. schon als Schülerin, dass Sie Illustratorin werden wollen?
Lili Richter: Ich habe bereits als Kleinkind sehr gerne gezeichnet und wollte schon als Jugendliche Kinderbücher machen. Nach Abschluss der Schule habe ich jedoch erst Grafikdesign und Kunstgeschichte studiert. 2012 bin ich dann für ein Jahr nach Barcelona gezogen, um dort Illustration zu studieren. Seit 2015 arbeite ich ausschließlich als Illustratorin. (https://www.lilirichter.com/)
easy-Blog: Wie aufwändig waren Ihre Arbeiten für easy im Vergleich zu anderen Projekten?
Lili Richter: Die Illustrationen für easy sind bisher mein umfangreichstes Projekt. Ich arbeite nun schon seit über zwei Jahren daran.
easy-Blog: Darüber sind wir sehr froh! Vielen Dank dafür. Und auch für das Interview! 🙂
Wir gratulieren außerdem zum Sieg des von Ihnen illustrierten Buchs „So ein Mist“ beim Wissenschaftspreis des Jahres 2019 in der Kategorie Junior- Wissensbücher!