Englisch: Von der verbindlichen Übung in der VS zum Hauptfach in der Unterstufe

Übergang VS - Sek1

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Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich damit, wie der Übergang im Fach Englisch von der Volksschule in die Sekundarstufe gut gelingen kann.

Was passiert im Fremdsprachenunterricht in der Volksschule?

Im Einzelnen variiert das wohl sehr erheblich von Schule zu Schule und Lehrperson zu Lehrperson. Ein Blick in den Lehrplan für die verbindliche (und auch unverbindliche) Übung zeigt, was als die zentrale Bildungsaufgabe des Fremdsprachunterrichts gesehen wird: [1]

  • Mit dem Fremdsprachenunterricht soll die Grundlage und die Motivation zum Sprachenlernen gelegt werden.
  • Zugleich soll bereits die Fähigkeit zur Kommunikation angebahnt werden.
  • Zusätzlich soll der Fremdsprachenunterricht auch einen Beitrag zur Offenheit für Menschen mit einer anderen Sprache und Kultur leisten.

Die Themen kreisen alle um die Kinder und ihre Lebenswelt – mit zyklischer Wiederholung und Erweiterung:

  • Ich, meine Familie und meine Freunde
  • Ich und meine Schule
  • Ich und meine Freizeit
  • Ich im Jahresablauf
  • Ich, mein Körper und mein Befinden
  • Ich und die Natur
  • Ich und meine Umgebung
  • Ich und die Welt der Fantasie

Gesprochene Sprache im Vordergrund

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Bei der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen steht die gesprochene Sprache im Vordergrund: Die Kinder üben Hören und Hörverstehen und können z.B. einfache Anweisungen befolgen (Open your books., Stand up., Sit down. …), sie werden mit dem Klangbild der Sprache vertraut und imitieren es beim Singen von Songs oder beim Nachsagen von Reimen und Chants, sie üben, ganz einfache Sprechsituationen zu bewältigen. Wenn dies gelingt, können die Schüler/innen eine ganze Reihe von ‚ich kann‘-Statements bestätigen:

  • ich kann jemanden begrüßen und mich verabschieden: Hello./Good morning. … Bye.
  • ich kann mich vorstellen: My name is …, I live in …
  • ich kann etwas über meine Hobbies, meine Familie, meine Schule usw. sagen: I like football, computer games, dancing, … I have a brother and a sister. …
  • ich kann um Hilfe bitten: Can you help me?
  • ich kann mich bedanken: Thanks.

In der Grundstufe II der Volksschule begegnen die Kinder auch zunehmend dem Schriftbild in der Fremdsprache. Aber selbst hier steht das Lautbild immer noch an erster Stelle, so dass die meisten Kinder zu Beginn der 5. Schulstufe eine relativ konkrete Idee vom Lautbild des Englischen haben werden, aber viel weniger vom Schriftbild.

Insgesamt steht im Fremdsprachenunterricht der Volksschule das spielerische und ganzheitliche Lernen im Mittelpunkt. Das ist wohl auch der Grund, warum die allermeisten Volksschulkinder großes Interesse an Englisch und Begeisterung dafür zeigen. So heterogen die Vorkenntnisse der Schüler/innen in den 1. Klassen der Mittelschulen oder Gymnasien sein werden, so wichtig ist daher das folgende Prinzip:

Vertrautes weiter einsetzen und Neues bewusst einführen

Vergleich methodischer Ansätze und Übungsformen

Gemeinsam mit Lehramtsstudierenden habe ich methodische Ansätze und Übungsformen in einem Englisch-Lehrwerk der Volksschule verglichen mit jenen, die in den ersten Units in Lehrwerken für die 1. Klasse der Sekundarstufe I vorkommen.

Es hat sich gezeigt, dass die Lehrwerke der 5. Schulstufe eine ganze Reihe von aus der Volksschule bekannten Methoden und Formaten weiterhin einsetzen. Die folgenden Beispiele stammen aus easy 1.

easy_1_book Das Englisch Lehrwerk von VERITAS
Illus: Lili Richter, Wien

1. Was ist den (meisten) Schüler/innen vertraut?

  • Die Verbindung von Sprache und Bildern in verschiedenster Form. Bilder sind beim Sprachenlernen wichtig, denn:
    – sie unterstützen das Verstehen bei Listening und Reading.
    – sie erzählen Geschichten (visual storytelling).
    – sie sind eine wichtige Lernhilfe bei der Wortschatzarbeit.
    – sie sind Fenster in eine andere Kultur oder in die Welt der Fantasie.
    – sie dienen als visuelle Hilfestellung (scaffold) bei Sprech- und Schreibanlässen.
bild-collage
Alle Illus: Lili Richter, Wien
  • Der Einsatz von Gestik, Mimik und Bewegung oder auch echten Dingen, um einerseits das Verstehen zu erleichtern und andererseits um den Schüler/innen die Möglichkeit zu geben, sich selbst (non-verbal) auszudrücken. Dazu gehören auch Total Physical Response (TPR)-Aktivitäten, wie im easy 1 Teacher’s Guide, S. 40 vorgeschlagen, wenn es um expressing feelings geht, mit der ganzen Klasse: Show me how you are angry / sad / happy / … – die Schüler/innen drücken individuell die feelings mit entsprechenden Gesichtsausdrücken, Gestik oder Bewegungen aus.
    Oder in pair work:
  • Listen and repeatAktivitäten, z.B. Chants, Reime, Songs, aber auch von sketches, stories …:
easy 1 book – Unit 2 S 25 n 4 Englisch
  • Partnerarbeit, z.B. um Mini-Dialoge zu üben, für die die notwendigen Redemittel (pre-fabricated chunks) bereitstehen:
easy 1 book S 33

Pair work bietet eine sichere Umgebung zum Üben, bei der auch schüchterne und langsamere Kinder zum Sprechen kommen.

  • Games jeder Art und spielerische Aktivitäten, die sich zum Recycling von bekannten Wörtern, Phrasen und Strukturen eignen, z.B. Bewegungsspiele, wie im Teacher’s Guide, S. 33, vogeschlagen: Zum Wiederholen von Farben und Strukturen wie My favourite colour is … gehen die Kinder je nach aufgezählten Farben (This corner is green / blue / yellow / pink.  What is your favourite colour?) in die ausgewiesenen ‚Farb-Ecken‘ des Klassenzimmers, dann werden vier andere Farben zugewiesen. Die Schüler/innen können beim Herumgehen auch die Strukturen What is your favourite colour? – My favourite colour is … wiederholen.
    Oder guessing games, card games, board games usw.

Obwohl so manches den Schüler/innen bekannt ist, so ist der Wechsel in Englisch von der spielerischen Übung zu einem Hauptfach, in dem noch vor Weihnachten die erste Schularbeit stattfindet, doch ein drastischer:

2. Was ist für die Schüler/innen neu?

Geschriebene Sprache

Die auf den ersten Blick sichtbare Veränderung und zugleich eine der größten Herausforderungen ist, dass die Kinder in den Schulbüchern plötzlich mit sehr viel geschriebener Sprache konfrontiert sind:

  • Die Schüler/innen müssen verschiedene Typen von comprehension tasks bei reading und listening zunächst lesen und verstehen und können dann erst die Aufgaben lösen, die zwar oft weiterhin Tick true or false, Write the numbers, Match the sentences with the pictures und ähnliche Antwortformate umfassen, aber zunehmend auch geschriebene Antworten erfordern.
  • Die Anzahl von verschiedenen Formen von gap-fill exercises und Tasks, die schriftlich zu erledigen sind, steigt stark. Die Schüler/innen müssen sich an neue, anspruchsvollere Aufgabenformate ebenso gewöhnen wie an die Tatsache, dass sie in Englisch jetzt viel mehr lesen und schreiben müssen.
  • Writing tasks zu verschiedenen Anlässen und Textsorten kommen auch viel regelmäßiger hinzu.
Englisch zu schreiben ist anfänglich mühsam.
Ingrid Legerer, Gratkorn

Da die Kinder bis dahin vergleichsweise wenig Übung beim Schreiben hatten, stellt das besonders für leistungsschwächere Schüler/innen eine große Herausforderung dar. Für die Unterrichtsgestaltung ist es deshalb wichtig, ausreichend Zeit und Unterstützung (scaffolding) zu geben und Strategien zur Aufgabenbewältigung zu vermitteln: neue Aufgabenformate genau erklären und den Schüler/innen zeigen, wie sie an die Aufgaben am besten herangehen.

Daneben gilt es aber auch, den Grundsatz aus den Lehrplänen im Auge zu behalten: „Im Anfangsunterricht (…) sind die Teilfertigkeiten des Hörverstehens und der mündlichen Kommunikation durch regelmäßige Hörübungen sowie durch ein möglichst häufiges Angebot an Sprechanlässen verstärkt zu fördern.“ [2] Neben all den neuen Aufgaben und dem Mehr an Schriftlichkeit soll das Sprechen, vor allem auch in Partnerarbeit, ausreichend Raum bekommen.

Systematischer Wortschatzaufbau

Das easy-Konzept folgt dem Lexical Approach. Die My new words-Seiten im book sind die Ausgangsbasis und verweisen auf die zweiseitigen vocab sheets pro Unit in easy vocab & sounds.Der systematische Wortschatzaufbau ist eine weitere große Veränderung: Die Kinder bringen ein oft sehr unterschiedlich großes Repertoire an Wortschatz – zumindest mündlich – aus der Volksschule mit. Für die Motivation der Kinder ist es sehr sinnvoll, dieses Vorwissen zu aktivieren und zu nutzen. Lange Vokabellisten mit Beispielsätzen und einer deutschen Übersetzung sind aber für alle neu. Die Einführung, die Festigung und das Wiederholen des Wortschatzes und auch der Umgang mit den Listen oder alternativen Darstellungen des Lernwortschatzes (graphic organizers) braucht daher besondere Aufmerksamkeit. An dieser Stelle möchte ich auf eine Serie von Blogbeiträgen zur Wortschatzarbeit verweisen.

(1) Kontextualisierung und Vernetzung
(2) Kontextualisierung und Vernetzung (2)
(3) Lexical chunks – Grundlagen
(4) Vorteile von lexical chunks
(5) Wortscharbeit – best practice
(6) “My new words” im “easy book”

Sie können die gesamte 6-teilige Serie „Wortschatzarbeit“ hier auch (nach Angabe einiger Daten) gesammelt als Gratis-PDF downloaden.

Grammatik

Das easy grammar & how-tos-Heft ist nach grammatikalischen Themen geordnet. Im 1. Jahr sind Erklärungen und grammatische Termini in Deutsch. Lehrwerksfiguren (Adam, Monster) machen Grammatik erlebbar.Die explizite Einführung von Grammatik, die die Kinder zwar aus dem Deutschunterricht bereits kennen, ist in Englisch ebenfalls neu. Egal, ob Grammatik induktiv oder traditionell deduktiv eingeführt wird, sind die Schüler/innen mit neuen, oft abstrakt klingenden Grammatikregeln und grammatischen Termini nun für Englisch konfrontiert. Auch hier kann das Vorwissen der Schüler/innen aktiviert werden und sie können zu Vergleichen mit Deutsch oder anderen Sprachen angeregt werden, um das Sprachbewusstsein zu fördern, wie im Lehrplan steht. Wenn es um die Festigung neuer Strukturen geht, sollen die Schüler/innen erkennen können, wie die Übungen und Tasks dazu beitragen, besser Englisch verstehen, schreiben und sprechen zu können. Wenn es gelingt, dass die Schüler/innen, Grammatikübungen als sinnvoll und abwechslungsreich erleben, kann das vielleicht der Entstehung des von Engelbert Thaler so genannten „Grammatik-Aversions-Syndroms“ [3] entgegenwirken.

Testing

Auf der VERA-Plattform vera.veritas.at gibt es Tasks for Testing - differenzierte Schularbeits- und Testbeispiele, als Einzel- oder Schullizenz.Der letzte und entscheidende Unterschied zwischen Englisch in der Volksschule und der Sekundarstufe liegt im Testing. In Englisch, das – wie schon mehrmals betont – in vier Volksschuljahren sehr stark über Mündlichkeit vermittelt wird, müssen die Schüler/innen meist vor Weihnachten eine schriftliche Schularbeit bearbeiten. Angesichts der vielen Neuerungen, die der Englischunterricht in den ersten Monaten der 1. Klasse mit sich bringt, stellt das eine besondere Herausforderung dar.
Umso wichtiger ist es, dass die Schüler/innen mit allen Aufgabenformaten, die in der Schularbeit zum Einsatz kommen, sehr gut vertraut sind. Bei writing tasks bietet sich für leistungsschwächere Schüler/innen zudem die Möglichkeit, ihnen Hilfestellungen (scaffolds) anzubieten, in Form von lexical chunks, also Phrasen, die ihnen Starthilfe geben, die Schreibaufgabe inhaltlich zu bewältigen. Beispiele dafür finden Sie in den easy  – Tasks for Testing.
Mit dem Prinzip „Vertrautes weiter einsetzen und Neues bewusst einführen“ und mit Aufgaben, bei denen die Kinder auch Gelegenheit bekommen, zu zeigen, was sie schon können, kann die Orientierung in der 5. Schulstufe leichter gelingen.

Mehr Informationen in:

Österreichisches-Sprachen-Kompetenz-Zentrum (Ed.) (2020). Orientierung im Anfangsunterricht Englisch in der 5. Schulstufe: Kompetenzeinschätzung mit Unterrichtsideen. (2nd ed.). Graz: ÖSZ. Abrufbar unter: http://www.oesz.at/OESZNEU/document2.php?Submit=&pub_ID=189


 

[1] Lehrplan der Volksschule, Achter Teil, Bildungs- und Lehraufgaben sowie Lehrstoff und didaktische Grundsätze der verbindlichen Übungen, Grundschule – Lebende Fremdsprache (1. – 4. Schulstufe), Stand: BGBl. II Nr. 368/2005, November 2005 – Verbindliche Übung „Lebende Fremdsprache“ (1. bis 4. Schulstufe) (Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch oder Ungarisch); abrufbar unter: https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/lp/lp_vs.html

[2] NMS-Lehrplan, S.37, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/20007850/Lehrpl%c3%a4ne%20-%20Neue%20Mittelschulen%2c%20Fassung%20vom%2019.06.2020.pdf

[3] Thaler, E. (2016). Balancierter Grammatikunterricht. In F. Klippel (Ed.), Teaching Languages – Sprachen lehren (pp. 209-228). Münster, New York: Waxmann.

 

Tanja Greil ist seit 2004 Fachdidaktikerin für Englisch an der Universität Salzburg. Als Englischlehrerin war sie in verschiedenen Schulen und in der Erwachsenenbildung tätig. Neben allen didaktischen Fragen rund um den Englischunterricht beschäftigt sie ihre Familie, mit der sie in Tirol lebt.

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